Die Frau am anderen Ende sagt: „Ja, hallo Frau Gliemann, hier spricht Frau … vom Gesundheitsamt … .“
Und was sind meine ersten Gedanken?
„Wo habe ich mich angesteckt?“
„Mit wem hatte ich Kontakt?“
„Muss ich jetzt in Quarantäne?“
„Oder habe ich die Stelle als 10.000-x-ste in der Bewerberschlange des RKI als Containment Scout doch noch bekommen?
Und was sagt sie? „Liebe Frau Gliemann, wir würden Sie 2021 gerne zu uns zu einer Lesung einladen.“
Und ich denke:
„Lesung? Stimmt, da war doch noch was … Irgendwie … irgendwann … irgendwo … vor dem 16. März … in einem anderen Leben. Vor vier Wochen.“
Das nenne ich mutig und hoffnungsvoll: Jetzt schon Lesungen für 2021 zu planen. Hut ab! Und herzlichen Dank für die Einladung! Ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut!
Sabine Lipan, Vorstandvorsitzende VS NRW und Bezirkssprecherin VS NRW-OWL hat heute folgenden offenen Brief zur Rettung der Produktionsbedingungen von Literatur gepostet, den ich gerne teilen möchte:
Meine Lagerhalle ist mein Gehirn
Offener Brief zur Rettung der Produktionsbedingungen von Literatur
Ich protestiere.
Ich protestiere, weil ich mich als arbeitende Künstlerin in den Hilfsprogrammen von Land und Bund mit der Art meiner Arbeit nicht wiederfinde und diese Programme für mich wirkungslos sind.
Ich protestiere dagegen, dass ich als soloselbständige Künstlerin beim Soforthilfe-Programm der Bundesregierung im Prinzip nur jene Kosten geltend machen kann, die aus externen Mieten und Zahlungen bestehen.
Meine Arbeit, mein Schaffen findet jedoch nicht in gemieteten Büro- und Lagerräumen statt, sondern in meiner Person, in meinem Körper, in meiner Lebenserfahrung und -umgebung:
Meine Produktionsstätten von Kultur, konkret Literatur, sind:
Kreativwerkstatt – mein Gehirn mit Gedanken und Träumen;
Fertigungshalle – mein Arbeitsplatz im Arbeitszimmer, Wohnzimmer oder Küche;
Maschinenpark – Laptop und der gute alte Schreibblock;
Lagerhalle – mein Gehirn und mein Gedächtnis mit Texten, Ideen, Formulierungen, Erinnerungen, Anekdoten – und mein Billy im Wohnzimmer für meine gedruckten Bücher zum Verkauf auf Lesungen;
Werkstatt – mein Schul- und Lebenswissen zur Korrektur und Überarbeitung meiner Texte;
Verkaufsräume – mein Mund;
Telefonzentrale – mein Ohr;
Buchhaltung – mein mathematisches Schulwissen gekoppelt mit neu erworbenem Wissen über Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Vorsteuer, Vorsteuerpauschalen, Reisekosten etc.;
SUV, geleast – habe ich nicht. Dafür mein Fahrrad, das mich zu ortsnahen Lesungen fährt und eine Bahncard, für die Fahrten zu Messen, Verlagen, Lesungen.
Ich verlange, dass all das dieselbe Wertigkeit und Anerkennung erhält wie extern gemietete Räumlichkeiten, geleaste Autos oder andere Firmeninvestitionen.
Als Künstlerin, die steuer- und sozialversicherungspflichtig ist, die seit zig Jahren ihren Lebensunterhalt erwirtschaftet, auch wenn es nie für angemessene Rücklagen gereicht hat, als professionell Berufstätige erwarte ich, dass ich jetzt nicht in den so groß aufgelegten und angekündigten Sofort-Hilfsprogrammen auf den Status einer Privatperson degradiert werde, die doch bitte dann doch lieber Grundsicherung beantragen soll.
Ich fordere, dass all diese für die Produktion von Kunst und Kultur erforderlichen Arbeitsmittel genauso anerkannt und finanziert werden wie angemietete Lagerhallen, Leasingraten für Firmenfahrzeuge, Büros von Geschäftsführer*innen und Reparaturkosten von Maschinenparks.
Die Regelung, nur externe Rechnungen zu finanzieren, wird uns Kunstschaffenden überhaupt nicht gerecht. Ich fühle mich gekränkt und degradiert: Aus Schriftsteller*innen, aus Solo-Selbständigen werden so einfach wieder Hausmänner und Hausfrauen in einer Bedarfsgemeinschaft gemacht.
Das wollen, können und werden wir uns nicht gefallen lassen!
Wir brauchen fast nie finanzielle Unterstützung für externe Betriebsausgaben, um weiter arbeiten zu können.
Wir brauchen aber jetzt ganz dringend finanzielle Unterstützung, um mit freiem Kopf weiterarbeiten zu können!
Denn das tun wir auch jetzt – weiterarbeiten. Wir sind alles andere als arbeitslos:
Wir verbringen Stunden um Stunden im Netz, um unsere Bücher zu bewerben, Online-Lesungen (meist unhonoriert) zu organisieren, um unsere Bücher bekannt zu machen, schreiben, mailen, telefonieren, Newsletter verschicken und jeden Kontakt nutzen, um weiterhin Bücher verkaufen zu können.
Wir versuchen, Lesungen für den Herbst zu organisieren – nicht wissend, ob sie dann überhaupt stattfinden werden.
Wir korrigieren Texte, die kurz vor der Veröffentlichung stehen.
Wir versuchen, bereits verfasste Manuskripte sowie neue Exposés an Verlage zu verkaufen.
Wir machen Lektorat, Marketing, Buchführung und vieles mehr.
Und vor allem: Wir schreiben weiter. Neue Texte, neue Bücher. Neue Geschichten.
Denn wir wollen nicht, dass der literarische Teil des Kulturlebens nach der Corona-Krise brachliegt.
Wir wollen ihn weiter lebendig halten.
Dafür schreiben wir.
Aus all diesen Gründen wollen und können wir oft auch keine Grundsicherung beantragen.
Wir wollen, dass unser „Betrieb“, d.h. unsere Person, mit einer Mindestunterstützung „am Laufen“ gehalten wird.
Konkret: Wir wollen berechtigt sein, uns von den Sofort-Hilfsprogrammen ein angemessenes „Gehalt“ auszahlen. Kein üppiges, aber orientiert am monatlichen Durchschnittsgewinn des letzten Jahres.
Das wäre fair und hilfreich, auch angesichts anderer weitergezahlter Gehälter.
Alles andere empfinde ich als Beleidigung von Kunst- und Kulturschaffenden.
Und alles andere ist das völlige Ignorieren dessen, was literarisch Tätige für diese Gesellschaft bewirken – jenseits aller konkreten Literatur:
auf unseren Schultern stehen 9,18 Milliarden Euro Umsatzim Jahr im Buchbetrieb;
80.000 Kernbeschäftigtein der Buchbranche sind angestellt, weil wir frei und oft für Cent-Beträge an Beteiligung pro Buch das herstellen, was sie anschließend verarbeiten und verkaufen;
auf freien Kulturschaffenden insgesamt ohne Betriebskosten stehen 100,5 Milliarden Bruttowertschöpfung;
Frankreich hat ein Paket für Kulturschaffende geschnürt.
Ebenso UK.
Auch Italien hat im März (!) ein Gesetz zur Förderung des Lesens erlassen.
Wo bleibt hier die Unterstützung der freien Kulturschaffenden in unserem Land?
Wer Kunst und Kultur weiter erleben möchte, in Buch, Theater, Netz, auf CD und gedruckt, erworben oder ausgeliehen, im Wohnzimmer, in der Schule, in der Universität – wer all das will, der muss jetzt dafür sorgen, dass sie nicht stirbt.
Es kostet nicht wirklich viel. Das haben wir noch nie: viel gekostet.
Wer reich werden will, wählt garantiert nicht die Laufbahn der freien Kunst.
Es kostet nicht viel.
Aber es ist auch nicht umsonst.
Banken werden gerettet, Fluglinien auch. Für Reisegutscheine werden Bürgschaften übernommen.
Wer die Kultur retten will, muss jetzt dafür sorgen, dass wir überleben können.
Heute. Nicht erst morgen.
Denn dann ist es vermutlich zu spät.
Sabine Lipan
Vorsitzende Vorstand Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Nordrhein-Westfalen (VS NRW)
Text: Prof. Dr. Eva Wunderer & Claudia Gliemann
Illustration: Britta Bolle
Herausgegeben von: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Ein Bilderbuchprojekt zum Thema Mobbing, Ausgrenzung, Anderssein, Vielfalt, Persönlichkeitsstärkung, Zusammenhalt und Selbstbewusstsein
Als Auftragsprojekt der BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) durfte ich gemeinsam mit Frau Professor Dr. Eva Wunderer von der Hochschule Landshut, Fakultät Soziale Arbeit, dieses tolle Projekt als Co-Autorin mit umsetzen.
Vielen herzlichen Dank für den Auftrag und die tolle Zusammenarbeit.
Es war mir eine Ehre!
Das Bilderbuch ist auf der Homepage der BzgA kostenlos, auch im Klassensatz, bestellbar. Zusätzlich wurde für Lehrende ein pädagogisches Begleitheft dazu entwickelt, das ebenfalls bestellt werden kann.
Am Freitag erreichte mich aus heiterem Himmel diese Mail von einer Person, die bei einer meiner Abendveranstaltung dabei war. Ich habe mich sehr darüber gefreut, in diesen Zeiten unverhofft so eine Mail zu bekommen und habe die Erlaubnis, sie auf meine Homepage zu stellen.
Herzlichen Dank dafür!
Und hier der Text:
Sehr geehrte Frau Gliemann, ich hoffe sehr, dass Sie und alle Menschen, die Ihnen nahe stehen, von der Corona-Krise verschont geblieben sind und verschont bleiben werden! Das ist der gesundheitliche Aspekt und der ist der Wichtigste! Allerdings gibt es daneben auch den wirtschaftlichen Aspekt, der Sie als Freiberuflerin besonders hart trifft. Von meinen drei erwachsenen Kindern sind zwei in der gleichen Situation und deshalb liegt es mir nahe, auch diesen Aspekt mit zu bedenken. Sie haben mein vollstes Mitgefühl in dieser Situation, in der vermutlich das Einkommen, das Sie durch Ihre Vorträge haben, für einige Wochen komplett ausfällt. Das ist ein schwerer Schlag. Ich wünsche Ihnen alles, alles Gute dafür, dass Sie diese wirtschaftliche Krisenzeit gut durchstehen und danach mit Ihren Vorträgen und Ihren Büchern wieder weitermachen können! Ihre Bücher beschäftigen sich mit zeitlosen, oder besser gesagt, mit zeitübergreifenden Themen, denn es geht darin um das Miteinander von Menschen und um ihre Gedanken und Gefühle. Ihre Bücher sprechen deshalb Menschen so gut an und geben ihnen zwei sehr wertvolle Dinge mit:
das Gefühl, mit solchen Gedanken und Gefühlen nicht allein zu sein und sich verstanden zu wissen
und
die Hoffnung – die Hoffnung, schwierige Gegebenheiten des Lebens wie Krankheiten etc. verstehen zu können, sie aushalten zu können und ihren Einfluss auf das eigene Leben ein Stück weit begrenzen zu können. Das Leben hält neue positive Erfahrungen irgendwann bereit.
Ja, u. a. aus diesen Gründen sind Ihre Bücher und Vorträge sehr wertvoll und sie werden in Zukunft unvermindert gebraucht!
Als Kinderbuchverlag, der vor allem für Kinder Produkte entwickeln möchte, die ihnen in schwierigen Zeiten helfen, zählt auch die CORONA-Zeit dazu. Viele Kinder und Erwachsene wurden von CORONA überrascht und wir leben aktuell in einer Welt, die wir uns so nie hätten vorstellen können. Die aktuelle Zeit ist eine große Belastung für die Psyche vieler Menschen, insbesondere auch von Eltern, und das hat Auswirkungen auf die Kinder.
Gerade jetzt möchte MONTEROSA MUT machen und Hoffnung schenken und zeigen: Irgendwann wird diese Zeit vorbei sein. Wir müssen, gerade jetzt, auch wenn es uns schwer fällt, immer wieder einmal mehr aufstehen als hinfallen, wie der Papa in „Papas Seele hat Schnupfen.“
Um euch und Sie dabei zu unterstützen, arbeiten wir gerade an „Dingen“, die dabei helfen können.
Bald mehr dazu auf dieser Seite.
Ich wünsche euch und Ihnen alles Gute und Gesundheit für diese schwierige Zeit.
Aktuell müssen leider alle musikalischen Lesungen zu „Papas Seele hat Schnupfen“ bis vorerst Ende April aufgrund der Verbreitung der Atemwegserkrankung COVID-19 ausfallen. Aber wir sehen uns wieder!
Wir wünschen euch und euren Familien alles Gute und vor allem Gesundheit!
Und hier noch ein paar O-Töne von den Kindern aus meinen Lesungen:
Junge: „Das Wort (Psychologe) kann ich gerade so schlecht aussprechen, weil ich im Moment nicht so viele Zähne habe.“
Junge: „Die Seele, die ist da, wenn du stirbst. Und dann. Flupp. Ist sie im Himmel.“
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